6. Help-Briefing – Wie können wir die humanitäre Hilfe weltweit neu aufstellen nach dem Systemschock durch den adhoc-Rückzug der USA?

Lukas Zechner und Dr. Thorsten Klose-Zuber von help e.V. und die Expertin Sonja Hövelmann von CHA – Centre for Humanitarian Action

In unserem ersten Briefing mit der Hilfsorganisation Help e.V. nach der Wahl – das sechste insgesamt – ging es um die fatalen Folgen, die die kurzfristige Abwicklung der US-Entwicklungshilfebehörde USAID durch Präsident Trump für die Menschen in Not und für die humanitäre Hilfe weltweit hat.

Herzlichen Dank an Generalsekretär Dr. Thorsten Klose-Zuber und Lukas Zechner von help e.V. und an unsere beiden renommierten Expertinnen, die uns dazu Frage und Antwort standen:

Dr. Ina Heusgen, Beauftragte für Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, und Sonja Hövelmann, Research Lead vom CHA – Centre for Humanitarian Action.

Systemschock durch den Rückzug der USA

83 Prozent aller Programme von USAID wurden sozusagen über Nacht gestoppt, weltweit dadurch ein Drittel des humanitären Hilfspersonals entlassen – ein Systemschock für das gesamte System der humanitären Hilfe.

Die USA waren bisher die größte Gebernation weltweit, hatten über 40% der globalen humanitären Mittel bereitgestellt. Allein USAID hatte zuletzt ein Budget von über 40 Mrd. US-Dollar, davon rund 10 Mrd. für humanitäre Hilfe. Andere Nationen oder private Stiftungen können das nicht auffangen, zumal auch in anderen Ländern an dieser Stelle mehr und mehr Mittel eingespart werden.

Als Folge ist auch die Existenz lokaler Partner-NGOs gefährdet. Und über eine Million Menschen werden wegen fehlender Hilfe ihr Leben verlieren.

 

Welche Rolle spielt Deutschland?

Welche Rolle kann oder muss Deutschland als bisher zweitgrößter Geber künftig bei der Stabilisierung des globalen humanitären Systems spielen, um die schlimmsten Auswirkungen durch den Rückzug der USA zu verhindern – darunter auch die, dass China und Russland ihren Einfluss ausdehnen und das Vakuum besetzen, das die USA in der internationalen Zusammenarbeit hinterlässt?

Welche Lösungsansätze gibt es überhaupt?

Viele Hoffnungen ruhen auf den anstehenden Haushaltsberatungen, wo versucht werden soll, die von der Ampel geplante Halbierung der humanitären Mittel – von 2,2 Mrd. Euro auf 1 Mrd. Euro – wenigstens zum Teil rückgängig zu machen – eine schwierige Aufgabe angesichts der jüngsten Steuerschätzungen und des Sparzwangs.

Reset: Dringend notwendige Reformen im humanitären Hilfssystem

Unabhängig davon muss das humanitäre Hilfssystem auch angesichts des weltweit wachsenden Bedarfs viel effizienter werden und braucht dringend eine Reform – ein Reset besonders mit dem Ziel, die globale Nothilfe flexibler, lokaler und unbürokratischer zu machen – was auch der Grand Bargain einfordert:

  • bessere Koordination der Aktivitäten der unterschiedlichen Hilfsorganisationen inkl. der UN-Organisationen wie WFP und UNICEF;
  • bessere Verschränkung von humanitärer Hilfe, Entwicklungshilfe und friedensfördernden Maßnahmen;
  • flexiblerer Mitteleinsatz;
  • Priorisierung der Projekte: welche Hilfe, welche Strukturen und Dienstleistungen sind wirklich essentiell?
  • mehr vorausschauende humanitäre Hilfe – dazu müssen auch Daten besser erhoben und ausgewertet werden;
  • die engere Zusammenarbeit mit lokalen Partnern, die oft für einen Bruchteil der Mittel mehr erreichen können als Organisationen, die von außen kommen. Mit anderen Worten: mehr Hilfe zur Selbsthilfe;
  • Programmlücken schließen in kritischen Bereichen wie Hilfe für Frauen, Inklusion und Klimaanpassung;
  • einfachere und schnellere Antragstellung und Vergabepraxis, auch durch

Wir werden die Konsequenzen, die sich aus dem Rückzug der USA aus der internationalen humanitären Hilfe ergeben, auch im Menschenrechtsausschuss aufarbeiten.

Unabhängig von unserer Pflicht, Menschen in Katastrophen und Kriegsgebieten schnell und bedarfsgerecht zu helfen: Menschenrechte und humanitäre Hilfe sind und bleiben eine wichtige Säule unserer Außen- und Sicherheitspolitik, denn diese Hilfe trägt zur Stabilisierung von Krisenregionen und zur Bekämpfung von Fluchtursachen bei.

Dr. Thorsten Klose-Zuber von help e.V und Sonja Hövelmann von CHA: Systemschock durch den Rückzug der USA